Kompetenzen des Schulungsleiters
Welche Kompetenzen sind hilfreich beim Leiten von Patientenschulungen?
Dieser Abschnitt ist ein Auszug aus unserem Buch „Schulungen patientenorientiert gestalten – Ein Handbuch des Zentrums Patientenschulung“
In der Schulpädagogik gibt es erdrückende Evidenz für den Zusammenhang zwischnen den Kompetenzen des Lehrers und dem Lernerfolg der Schüler. Auch wenn diese Ergebnisse aufgrund von Unterschieden der Erwachsenen- zur Schulbildung nicht völlig übertragbar sind, gilt auch und gerade in der Patientenschulung, dass dem Dozenten eine besondere Rolle zukommt und gute Schulungsleiter über bestimmte Kompetenzen verfügen.
Fachkompetenz
Dozenten sollten hinsichtlilch des nötigen Krankheits- und Behandlungswissen auf dem aktuellen Stand ihres jeweiligen Fachbereichs sein. Zwar gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass auch Laien Schulungen effektiv halten können (z. B. Foster et al., 2007), aber ein fachlicher Hintergrund stellt eine solide Basis für die Inhalte der Schulung dar. Neben einschlägigen Studiengängen wird diese Kompetenz auch in Weiter- und Fortbildungen erworben. Auch die Berücksichtigung interdisziplinärer Aspekte kann hilfreich sein, um medizinisches, pädagogisches und psychologisches Grundlagenwissen zu vereinen. Insbesondere ist die Kenntnis grundlegender gesundheitspsychologischer Modelle für den Schulungsdozenten hilfreich. Und nicht zuletzt spielt auch die Berufserfahrung der Dozenten eine Rolle, da durch sie das Grundlagenwissen durch Kenntnisse des jeweiligen Settings erweitert wird.
Didaktische Kompetenz
Schulungsdozenten sollten über grundlegende didaktische Kenntnisse verfügen. Sie sollten also um die Bedeutung und die Gestaltung von Lehrzielen wissen sowie Lerninhalte strukturieren und aufbereiten können. Vor allem sollten sie aber über eine gewisse Methodenkompetenz verfügen, also wissen, wie sie Kenntnisse verständlich und Fertigkeiten angemessen vermitteln können. Die didaktischen Kompetenzen sollten geeignet sein, einen lebendigen, aktivierenden und damit auch patientennahen Unterricht gestalten zu können. Letztendlich gehört dazu auch der sichere Umgang mit Medien und Materialien.
Soziale Kompetenz
Bei den Teilnehmern einer Schulung handelt es sich nicht um passive Schüler, sondern um (zumeist chronisch) Erkrankte, deren Gesundheit das Thema der Veranstaltung ist und die die unterschiedlichsten Vorgeschichten und Begleitumstände in die Schulung mitbringen. Der Schulungsdozent muss auf diese besonderen Anforderungen vorbereitet sein und entsprechende soziale Kompetenzen entwickeln.
Dazu gehört grundlegend die im Rahmen der Gesprächspsychotherapie entwickelte Grundhaltung gegenüber Patienten, die aber auf alle Behandlungsformen mit hohem Kommunikations- oder Interaktionsanteil übertragen werden kann: Der Behandler sollte Empathie zeigen können, also Verständnis für das Krankheitsbild entwickeln und den einzelnen Patienten mit seinen individuellen Wünschen und Problemlagen akzeptieren. Im Kontakt zum Patienten sollte sich das in einer Haltung der Wertschätzung niederschlagen, so dass sich der Patient in guten Händen fühlen und sich auf die Arbeit an seinen gesundheitlichen Problemen konzentrieren kann. Letztendlich sollte der Dozent bei alledem authentisch bleiben, sich also im Kontakt mit den Patienten nicht verstellen. Das Verhalten des Dozenten sollte nicht im Widerspruch zu seinen Aussagen stehen.
Die sozialen Kompetenzen stellen also in erster Linie Gesprächsführungskompetenzen dar, die man üben und in entsprechenden Fortbildungen weiterentwickeln kann. Eine soziale Kompetenz, die sich Dozenten häufig selbst (von Fortbildungsanbietern) wünschen, ist der Umgang mit „schwierigen Patienten“ bzw. Konflikten in Gruppensituationen.
Persönliche Kompetenz und Selbstverständnis
In der Patientenschulung verschiebt sich die Rolle des Dozenten vom „Wissensvermittler“ hin zum „Ermöglicher von Lernerfahrungen“. Neben dem Wissen spielen die Motivation, die Einstellung, die Lebensumstände und die Bewältigungskompetenzen der Patienten eine wichtige Rolle. Wenn der Dozent vom diesbezüglichen Potential seiner Schulung überzeugt ist (und ihm das Leiten der Gruppe vielleicht sogar Spaß macht), wird mit der eigenen Schulungspraxis und den Ergebnissen zufriedener sein. Eine intrinsische Grundmotivation am Schulungsthema (die man sich freilich nur bedingt in Fortbildungen aneignen kann) stellt einen positiven Faktor dar. Schulungsaffine Persönlichkeitsmerkmale können auch grundlegende Kommunikationsfähigkeiten, Respekt und Diskretion umfassen.
Im weiteren Sinne zählen zum Selbstverständnis des Dozenten auch die gesamte Teamstruktur einer Einrichtung, also das Vorhandensein von Kooperationsbereitschaft oder einer wertschätzenden Feedback-Kultur und die Möglichkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Tätigkeit. Provokativ formuliert: Überzeugte und mit ihrer Arbeit zufriedene Dozenten halten die besseren Schulungen.
Fähigkeit zur Konzeption einer Schulung
Die bisher dargestellten Kompetenzen haben eine direkte praktische Relevanz. Darüber hinaus können für spezielle Anforderungen noch weitere Kompetenzen hilfreich sein. Die Fähigkeiten zur Konzeption einer Schulung betreffen die theoretische Auseinandersetzung mit den Schulungsinhalten und dem Aufbau einer Schulung. Beispiele für diesen Bereich sind: umfangreiches inhaltliches Wissen zum Schulungsthema; Recherchekompetenzen, um neue Entwicklungen und Anforderungen bezüglich des Schulungsthemas erfassen und inhaltliche Änderungen einer Schulung zusammenstellen zu können; Wissen über den Aufbau einer Schulung; didaktisches Wissen über die Formulierung von Lehrzielen; Wissen über aktivierende und patientenorientierte Methoden und deren Einsatz in der Patientenschulung; Wissen über den Aufbau und die Gestaltung von Manualen; Wissen über Kriterien, die bei der Durchführung von Schulungen zu beachten sind. Diese Kompetenzen sind nicht nur dann hilfreich, wenn man ein Schulungskonzept neu erstellen möchte, sondern auch, wenn man bestehende Schulungen kontinuierlich verbessern und auf dem Stand der Zeit halten möchte.
Wissenschaftliche Kompetenz
Die zweite Kompetenz, die über den Schulungsalltag hinausgeht, umfasst wissenschaftliche Kenntnisse über Forschungs- und Evaluationsmethoden. Diese Kompetenzen können in dem speziellen Fall hilfreich sein, wenn eine Schulung evaluiert, also wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden soll. Dieser Kompetenzbereich stellt einen Spezialfall dar und sollte daher auch als zusätzliche Kompetenz verstanden werden, nicht als Voraussetzung.